Erstellt am: 29.10.2023
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Kategorie: News

Kind in Peru

A.a. Am 28. März 2022 legte B.________ Berufung gegen den Entscheid vom 10. März 2022 ein. Mit der Behauptung, die Mutter des Kindes sei seit dem 9. März 2022 mit dem Kind nach Peru gezogen, ohne ihn darüber zu informieren, beantragte er in der Hauptsache die sofortige Rückkehr des Kindes in die Schweiz, den Entzug der elterlichen Sorge der Mutter, die Zuweisung der elterlichen Sorge und des Sorgerechts zu seinen Gunsten, die Festsetzung eines Unterhaltsbeitrags zu Lasten der Mutter und die Sperrung des Vermögens der Mutter. Subsidiär beantragte er die Rückweisung der Sache an den erstinstanzlichen Richter. 

 

B.b. Am 11. April 2022 legte C.A.________, vertreten durch seine Mutter und unterstützt durch seinen Bevollmächtigten, ebenfalls Berufung gegen die Entscheidung vom 10. März 2022 ein und beantragte im Wesentlichen die Erhöhung der Unterhaltszahlungen und die Beibehaltung des alleinigen Sorgerechts seiner Mutter. 

 

B.c. Mit Urteil vom 15. Dezember 2022 wies die I. Zivilappellationskammer des Kantonsgerichts des Kantons Freiburg (nachfolgend: Appellationskammer) die Berufung von C.A.________ und A.A.________ ab, hiess die Berufung von B.________ teilweise gut und änderte den Entscheid vom 10. März 2022, der am 16. März 2022 berichtigt wurde, insbesondere dahingehend ab, dass ab dem 1. Februar 2023 die elterliche Sorge und die Obhut über das Kind ausschliesslich B.________ zugewiesen wurden. Ab demselben Datum würde A.A.________, falls sie weiterhin in Peru leben würde, ihr Umgangsrecht mit dem Kind über die Skype-Software für eine Stunde pro Woche ausüben und, falls sie wieder in Schweden leben würde, ihr Umgangsrecht mit dem Kind über die Skype-Software für eine Stunde pro Woche ausüben.

 

1.  

1.1. Die Beschwerdeführerin macht erstens geltend, dass das Berufungsgericht sich geirrt habe, als es festgestellt habe, dass die Schweizer Behörden immer für die Entscheidung zuständig seien, insbesondere in Anwendung von Art. 85 Abs. 1 IPRG. 

In Bezug auf die Zuständigkeit der Schweizer Behörden für die Entscheidung über Fragen der elterlichen Sorge und des Sorgerechts war das Berufungsgericht der Ansicht, dass diese im vorliegenden Fall gegeben sei, und zwar unabhängig davon, ob das Verbringen des Kindes rechtmäßig oder unrechtmäßig war. Angesichts der Tatsache, dass das Kind im Laufe des Verfahrens nach Peru gebracht worden war, dass sein gewöhnlicher Aufenthalt vor seiner Abreise in der Schweiz lag, da es dort geboren wurde, immer dort gelebt hatte und bis zu seiner Abreise seinen sozialen und emotionalen Kreis sowie seinen Interessenschwerpunkt dort hatte, und dass es sich zum Zeitpunkt der Abgabe des angefochtenen Urteils seit weniger als einem Jahr in Peru befand, galt der Grundsatz der perpetuatio fori und die Schweizer Behörden waren zuständig, sich mit diesen Fragen zu befassen.

 

Diese Argumentation des Berufungsgerichts ist korrekt. Die Beschwerdeführerin liest nämlich BGE 142 III 1 falsch, wenn sie daraus ableitet, dass der Grundsatz der perpetuatio fori nur dann gilt, wenn die Behörden des Nichtvertragsstaates, in dem sich das Kind neu befindet, keine Schutzmassnahmen zugunsten des Kindes ergreifen können oder wollen. Zwar legt das fragliche Urteil in Erwägungsgrund 2. 1, dass der Grundsatz der perpetuatio fori vorgesehen wurde, um der Tatsache entgegenzuwirken, dass ein Kind, das sich in einem Nichtvertragsstaat wiederfindet, nicht in den Genuss des Schutzsystems des HKÜ96 kommt, das die ununterbrochene Existenz einer neuen Zuständigkeit für die Entscheidung garantiert, während in einem Nichtvertragsstaat keine Garantie dafür besteht, ob und in welchem Umfang dieser Schutzmaßnahmen zugunsten des Kindes ergreifen wird, bzw. ein anhängiges Verfahren fortsetzen wird, insbesondere wenn die Zuständigkeit nach seinem eigenen Recht im Bereich des internationalen Privatrechts auf der Staatsangehörigkeit des Kindes und nicht auf seinem Wohnsitz beruht. Andererseits ist es entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht notwendig, dass der Nichtvertragsstaat keine Schutzmaßnahmen zugunsten des Kindes ergreifen kann oder will, damit der Grundsatz der perpetuatio fori zur Anwendung kommt.

 

1.2 Bezüglich der Zuständigkeit für die Entscheidung über die Frage der dem Kind geschuldeten Unterhaltsbeiträge, die von der Beschwerdeführerin nicht in Frage gestellt wurde, erinnerte das Berufungsgericht daran, dass kein internationaler Vertrag die Schweiz an Peru bindet. Folglich stützte es die Zuständigkeit der Schweizer Behörden für die Entscheidung in dieser Angelegenheit auf Art. 79 IPRG, wonach die Schweizer Gerichte am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes oder am Wohnsitz und in Ermangelung eines Wohnsitzes am gewöhnlichen Aufenthaltsort des beklagten Elternteils für Klagen zuständig sind, die die Beziehungen zwischen Eltern und Kind betreffen, insbesondere für Klagen über den Unterhalt des Kindes, wobei die Rechtsprechung jedoch klarstellt, dass der Schweizer Richter seine Zuständigkeit nur dann bejahen kann, wenn das Kind zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz hat (BGE 117 II 334 Rz. 4; 109 II 375 E. 5a; Urteil 5A_422/2015 vom 10. Februar 2016 E. 2, nicht veröffentlicht in BGE 142 III 193). Dies war im vorliegenden Fall der Fall, da das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt der Eröffnung der Unterhaltsklage noch immer in der Schweiz hatte, ebenso wie sein Vater, der Beklagter der Unterhaltsklage war. Diese Argumentation ist rechtskonform.

 

1.3 In Bezug auf das anwendbare Recht, eine Frage, die auch von der Beschwerdeführerin nicht in Frage gestellt wurde, stellte das Berufungsgericht zu Recht fest, dass es sich bei den elterlichen Rechten gemäß Art. 15 Ziff. 1 HKÜ96, wonach die Behörden der Vertragsstaaten bei der Ausübung der ihnen durch die Bestimmungen des Kapitels II zugewiesenen Befugnisse ihr Recht anwenden, um Schweizer Recht handelt. 

In Anbetracht der Tatsache, dass das Kind zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Urteils keinen neuen gewöhnlichen Aufenthalt in Peru erworben hatte, ging das Berufungsgericht auch zu Recht davon aus, dass das Schweizer Recht in Bezug auf die Unterhaltsbeiträge auf der Grundlage von Art. 83 Abs. 1 IPRG, der auf das Haager Übereinkommen vom 2. Oktober 1973 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (SR 0. 211.213.01) und insbesondere auf dessen Artikel 4, der vorschreibt, dass das innerstaatliche Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsberechtigten die Unterhaltspflichten regelt (Abs. 1), es sei denn, es findet ein Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsberechtigten statt, in welchem Fall das Recht des neuen gewöhnlichen Aufenthalts ab dem Zeitpunkt gilt, zu dem der Wechsel stattgefunden hat (Abs. 2).

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