Erstellt am: 21.01.2023
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Kategorie: Blog

Kindesunterhalt in internationalen Konstellationen

Welches Gericht ist zuständig?

1.      Grundsätzlich entscheidet aus schweizerischer Perspektive das IPRG über die Frage der Zuständigkeit. Da Staatsverträge aber vorgehen, gelangt gemäss Art. 1 Abs. 2 IPRG i.V.m. Art. 85 Abs. 1 IPRG die Regelung von Art. 5 HKsÜ zur Geltung.

2.      Was sagt das HKsÜ (Haager Kindesschutzübereinkommen)?

a.      Art. 5 Abs. 1 und 2 HKsÜ erklären die Gerichte am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes für zuständig, sobald es im Ausland einen solchen begründet hat. Dies gilt sofort, selbst bei hängigem Verfahren in der Schweiz. Keine perpetuatio fori.

b.      Davon gibt es folgende Ausnahmen:   

  1. Bei widerrechtlichem Verbringen des Kindes ins Ausland gemäss Art. 7 HKsÜ kann/muss der zurückgebliebene Elternteil im neuen Aufenthaltsstaat des Kindes ein Rückführungsgesuch stellen (Art. 12 Abs. 1 HKÜ), d.h. der von Art. 5 Abs. 2 HKsÜ als Grundsatz vorgesehene Zuständigkeitswechsel wird vorderhand blockiert. Die Zuständigkeitsverschiebung ins Ausland tritt dann nur ein, wenn das Kind sich im anderen Staat mindestens ein Jahr aufgehalten hat, nachdem die sorgeberechtigte Person seinen Aufenthaltsort kannte oder hätte kennen müssen, kein während dieser Zeit im Ausland gestellter Rückführungsantrag im Sinn des Haager Kindesentführungsübereinkommens mehr hängig ist und das Kind sich im neuen Umfeld eingelebt hat (Art. 7 Abs. 1 HKsÜ).
  2. Art. 10 HKsÜ begründet eine Annexzuständigkeit für Kinderbelange in Scheidungsverfahren vor schweizerischen Gerichten, nicht aber in Eheschutzverfahren (!).
     

Welches Recht ist anwendbar?

1.       Grundsatz: Nach Art. 4 Abs. 1 HUÜ (Haager Unterhaltsübereinkommen) ist das innerstaatlich geltende Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten massgeblich, und zwar ab dem Zeitpunkt des Aufenthaltswechsels (Art. 4 Abs. 2 HUÜ).

2.       Ausnahme für nachehelichen Unterhalt: Das auf die Ehescheidung anwendbare Recht ist auch auf die Unterhaltsentscheidung anwendbar (Art. 8 HUÜ). Diese Ausnahme gilt aber nicht für Kindesunterhalt.

3.       Ausnahme für Kindesunterhalt: Die Schweiz hat sich gestützt auf Art. 24 HUÜ und Art. 15 HUÜ vorbehalten, das eigene innerstaatliche Recht anzuwenden, wenn sowohl der Unterhaltspflichtige als auch der Unterhaltsberechtigte Schweizer Bürger sind und der Unterhaltspflichtige seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz hat; diesfalls kommt das gemeinsame schweizerische Heimatrecht zur Anwendung. Andernfalls aber nicht.

 

Bundesgerichtsentscheid 5A_591/2021 und 5A_600/2021