Erstellt am: 03.06.2021
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Kategorie: Blog

Vorsorgeausgleich

Im Scheidungsfall sind die ehelichen Guthaben in Pensionskassen, bei Freizügigkeitseinrichtungen und auch die Altersrenten der Pensionskasse aufzuteilen. Wie geht das? Was geschieht mit Vorbezügen für die Finanzierung von Wohneigentum? Kann verrechnet werden? Der Ausgleich der beiderseitigen Vorsorgeguthaben kann komplexe Fragen aufwerfen und komplizierte Berechnungen erfordern. Nachstehend erklären wir, welche Berechnungen gesetzlich verlangt sind. Und wie sie für unsere NutzerInnen komfortabel durchgeführt werden.

 

 

Der einfachste Fall - aktives Guthaben in nur einer Pensionskasse

Hat nur einer der Ehegatten ein Guthaben in einer Pensionskasse und ist er noch im Erwerbsleben, so hat er ein Vorsorgeguthaben, eine sog. aktive Austrittsleistung. Es ist abzuklären, welcher Teil davon in die Ehe eingebracht und welcher während der Ehe aufgebaut wurde. Als nichtehelich gelten auch während der Ehe durch Einmal-Einzahlungen aus Eigengut aufgebaute Guthaben.

Fand die Heirat vor dem Jahr 1995 statt, lassen sich die vorehelichen Vorsorgeguthaben nicht immer feststellen. In einem solchen Fall wird näherungsweise gemäss der gesetzlichen Vorgehensweise ermittelt, welcher Anteil des bei der Scheidung vorhandenen Vorsorgeguthabens samt Zins vorehelicher Natur ist. Dazu wird durch einen strukturierten Frageprozess geführt. 

Die nichtehelichen Anteile sind ab Einlage (Datum der Heirat oder spätere Einzahlung aus Eigengut) zu verzinsen. Auch der eheliche Anteil wird laufend verzinst.

Weiter ist festzustellen, welche Anteile des Vorsorgeguthabens dem obligatorischen (gesetzlich eng normierten, in der Regel höher verzinsten) Teil und welche dem nicht-obligatorischen Teil angehören. 

Der eheliche Anteil am Pensionskassenguthaben ist grundsätzlich zur Hälfte dem andern Ehegatten zukommen zu lassen. Die Ehegatten können den Verteilschlüssel aber modifizieren.  

Als massgeblichen Zeitpunkt für die Anspruchsberechnung nennt das Gesetz (Art. 122 ZGB) den Tag der Einleitung des Scheidungsverfahrens. 

  

Beide Ehegatten haben Guthaben in einer Pensionskasse

Für jeden Ehegatten ist gleich wie oben vorzugehen. Anschliessend sind die beiderseitigen ehelichen Vorsorgeguthaben grundsätzlich hälftig aufzuteilen und soweit möglich zu verrechnen.

 

Die Ehegatten wünschen keine hälftige Aufteilung der Guthaben

Das Gesetz (Art. 124b Abs. 1 ZGB) erlaubt den Ehegatten, eine ungleiche Aufteilung der ehelichen Vorsorgeguthaben zu vereinbaren. Dabei sind folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen:

  • die Dauer der Ehe 
  • der Altersunterschied, wenn ein Ehegatte noch arbeitet bzw. arbeiten und für sich weiter Vorsorge aufbauen kann 
  • das Ergebnis der güterrechtlichen Auseinandersetzung 
  • eine Gesamtbetrachtung der beidseitigen Vorsorgebedürfnisse (Vermögen, Erwerbsmöglichkeiten, Gesundheit) 
  • Gewährleistung einer angemessenen Vorsorge beider Ehegatten für Alter und Invalidität 
     

Vorbezug für die Finanzierung von Wohneigentum

Art. 30c - 30e BVG und Art. 331e OR ermöglichen es, dem Vorsorgeguthaben bei der Pensionskasse Kapital zu entnehmen und für die Finanzierung von selbst genutztem Wohneigentum zu verwenden. Besteht bei Einleitung des Scheidungsverfahrens ein solcher Vorbezug, ist er rechnerisch dem Vorsorgeguthaben des beziehenden Ehegatten zuzuschlagen und bei der Ermittlung der Ausgleichsleistung einzubeziehen. Voreheliche Bezüge sind nicht zu teilen.

Tätigt ein Ehegatte während der Ehe einen solchen Vorbezug und besteht sein Vorsorgeguthaben dabei aus (aufzuzinsenden) nichtehelichen und ehelichen Anteilen, so wird der Vorbezug rechnerisch proportional auf diese beiden Anteile verteilt. Der durch einen Vorbezug eintretende Zinsausfall betrifft dann ebenfalls proportional die ehelichen und die nichtehelichen Anteile. 

Ein WEF-Vorbezug muss und kann beim Eintritt eines sog. Vorsorgefalls nicht mehr an die Pensionskasse zurückbezahlt werden. Dies ist namentlich beim Vorsorgefall Alter, und zwar bereits 3 Jahre vor der effektiven Pensionierung, der Fall (wenn der reglementarische Anspruch auf Altersleistungen der Pensionskasse entsteht). Der in diesem Zeitpunkt noch bestehende Vorbezug wandelt sich automatisch zu einem Kapitalbezug. 

 

Altersrenten aus der Pensionskasse

Bezieht ein Ehegatte oder beziehen beide Ehegatten eine Altersrente ihrer Pensionskasse, so sind diese Renten ebenfalls auszugleichen. 

In einem ersten Schritt wird ermittelt, inwieweit eine Altersrente aus ehelicher oder aus nichtehelicher Vorsorge stammt. Dies ist nicht immer einfach herauszufinden. Ist aber das Verhältnis von ehelichen und nichtehelichen Vorsorgeanteilen vor dem Rentenbezug bekannt, kann man sich an dieser Proportion orientieren. Ist dies mangels Daten nicht möglich, behilft man sich mit einer Berechnungstabelle des Bundesamtes für Sozialversicherungen (gemäss Bundesblatt 2013, S. 4955, https://www.fedlex.admin.ch/eli/fga/2013/942/de).

Die nominalen ehelichen Anteile der Altersrenten werden in einem zweiten Schritt auf die Ehegatten verteilt. Dies erfolgt in der Regel je hälftig, kann aber auch nach einem individuell gewählten Schlüssel vereinbart werden,

In einem dritten Schritt wird das daraus resultierende Guthaben des ausgleichsberechtigten Ehegatten entsprechend seinem Alter und Geschlecht in eine für ihn lebenslange Rente umgerechnet. Dieser Rentenbetrag kann vom nominal zugesprochenen Rentenanteil des andern Ehegatten deutlich abweichen. 

Das Verhältnis zwischen obligatorischen und nicht-obligatorischen Anteilen an den Vorsorgeguthaben des ausgleichspflichtigen Ehegatten muss auch bei einem Rentenausgleich gewahrt bleiben.


Die Berücksichtigung des Geschlechts stellt eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung dar, wozu der Bund als Verordnungsgeber gar nicht befugt war. Gemäss der als verbindlich erklärten Berechnungsformel (Art. 19h Abs. 1 FZV) wird aber so gerechnet.

Beziehen beide Ehegatten eine Altersrente, werden die auszugleichenden ehelichen Rentenanteile soweit möglich verrechnet.

Weist ein Ehegatte eine aktive Austrittsleistung in einer Pensionskasse aus, ist er also noch erwerbstätig, und bezieht der andere Ehegatte eine Altersrente, so stehen folgende Optionen zur Verfügung:

  1. Der eine Ehegatte lässt dem andern die Hälfte seines ehelichen Vorsorgeguthabens zukommen und erhält handkehrum die Hälfte des ehelichen Anteils der Altersrente des andern Ehegatten. Es findet somit keine Verrechnung statt.
  2. Die Ehegatten weisen ihre ganzen Ansprüche aus (die Rente kapitalisiert) und nehmen eine Verrechnung vor. Dies setzt die Zustimmung beider Ehegatten und ihrer beiden Vorsorgeeinrichtungen voraus.
  3. Es erfolgt eine sog. untechnische Verrechnung, bei der nur die Differenz der sich gegenüberstehenden, kapitalisierten Vorsorgeguthaben ausgeglichen wird.  

Sämtliche vorstehenden Berechnungen werden von unserem Programm gemäss den eingegebenen Daten automatisch durchgeführt.

  

Barauszahlungen und Kapitalabfindungen

Bezieht ein Ehegatte während der Ehe 

  • eine Barauszahlung der Pensionskasse,
  • eine Kapitalabfindung einer Vorsorgeeinrichtung oder einer Versicherung (wegen Arbeitsunfähigkeit und Versorgerschadens, nicht aber bei Lebensversicherungen mit Rückkaufswert) oder
  • eine Kapitalabfindung zufolge Entwidmung eines WEF-Vorbezugs drei Jahre vor Erreichen des Pensionierungsalters

so fallen diese Leistungen beim Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung vorerst in die Errungenschaft des Empfängers, d.h. vor dem Zeitpunkt der Auflösung des Güterstands (Einleitung des Scheidungsverfahrens, Wechsel des Güterstands). Massgeblich ist der Zeitpunkt der Entstehung der Forderung.

Bei einer Scheidung wird eine solche Leistung im Nachhinein rechnerisch in Errungenschaft und Eigengut aufgeteilt (Art. 207 Abs. 2 ZGB). Das Eigengut entspricht dabei dem Kapital, das bei Einleitung des Scheidungsverfahrens der künftigen Altersvorsorge entspräche. Im Rahmen des Vorsorgeausgleichs werden in einem weiteren Schritt die nichtehelichen und die ehelichen Anteile daran berechnet. Nur für die ehelichen Anteile ist eine angemessene Entschädigung auszurichten.

Der so berechnete Kapitalbetrag ist dem Eigengut des rentenberechtigten Ehegatten anzurechnen, der restliche Teil der ursprünglichen Kapitalleistung verbleibt in seiner Errungenschaft. Es handelt sich dabei nur um rechnerische, nicht reale Grössen.

Vom Kapitalbetrag ist auszuscheiden, was zum vornherein Eigengut war und in diesem verbleibt:

  • Genugtuung
  • Ersatzleistungen für Sachschäden, Umtriebe, Prozesskosten
  • Heilungskosten
     

Die Gütergemeinschaft kennt in Art. 237 ZGB eine entsprechende Regelung, die Gütertrennung hingegen nicht.

Bei der Behandlung von Barauszahlungen einer Vorsorgeeinrichtung gibt es zwei unterschiedliche Auffassungen. Ist im Zeitpunkt einer Barauszahlung ein Vorsorgefall bereits eingetreten, so ist allgemein anerkannt, dass bei Scheidung die Aufteilung in Errungenschaft und Eigengut vorzunehmen ist (bei Errungenschaftsbeteiligung und analog bei Gütergemeinschaft, nicht aber bei Gütertrennung). 

Diskutiert wird hingegen, ob dies auch gelten soll, wenn im Zeitpunkt einer Barauszahlung noch kein Vorsorgefall eingetreten ist und das ausbezahlte Kapital nicht für den Einkauf in eine andere Vorsorgeeinrichtung verwendet wurde. Das Bundesgericht und ein Teil der Lehre (Geiser u.a.) verneinen dies und weisen den ganzen Betrag dem Eigengut zu. Demgegenüber ist gemäss Jungo/Grütter die Aufteilung in Eigengut und Errungenschaft auch hier vorzunehmen, da ja nur jener Teil für die Vorsorge bestimmt und folglich dem Eigengut zuzuweisen ist, der dem Kapitalwert der künftigen Rente entspricht. Dieser Betrag ist bei der Bestimmung einer angemessenen Entschädigung infolge Unmöglichkeit des Vorsorgeausgleichs nach Art. 124e ZGB zu berücksichtigen. Diese Argumentation ist u.E. logisch. Wir folgen ihr und nehmen die entsprechenden Kapitalisierungsberechnungen vor, falls eine Barauszahlung i.S. von Art. 5 FZG ausgewiesen und anfänglich der Errungenschaft angerechnet wird.

Bei dem – ex nunc - dem Eigengut des rentenberechtigten Ehegatten anzurechnenden Kapitalbetrag (Barwert) handelt es sich, wie erwähnt, nur um rechnerische, nicht um eine reale Grössen. Der restliche Teil der ursprünglichen Kapitalleistung verbleibt in der Errungenschaft. Eine Hinzurechnung nach ZGB 208 ist möglich, auch eine Rückforderung bei Dritten. Die Errungenschaft schuldet dem Eigengut den entsprechenden Kapitalanteil, auch wenn sie dadurch in einen Rückschlag mündet.

Die Vorsorgeeinrichtung hat auf Anfrage die Höhe der mit der Kapitalleistung abgegoltenen Rente für den Zeitpunkt der Kapitalauszahlung bekanntzugeben (Umrechnung von Kapital in Rente). Die mitgeteilte Rente ist für die Zeit nach Auflösung des Güterstands (Einleitung des Scheidungsverfahrens) zu kapitalisieren, und zwar im Zeitpunkt der Auflösung des Güterstands. Es handelt sich um eine bis zum AHV-Alter, auf die Aktivitätsdauer, befristete Leibrente.

Falls eine Nutzerin/ein Nutzer allerdings der anderen Ansicht folgen und die Aufteilung einer Barauszahlung vor Eintritt eines Versicherungsfalls in Errungenschaft und Eigengut nicht vornehmen möchte, kann man im Frageprozess des Programms so vorgehen, dass die entsprechende Barauszahlung zum vornherein als Bestandteil des Eigenguts ausgewiesen wird. Dann unterbleibt bei Errungenschaftsbeteiligung eine Aufteilung in Errungenschaft und Eigengut bzw. bei Gütergemeinschaft in Gesamtgut und Eigengut.

Eine dem Eigengut zugewiesene Kapitalabfindung oder Barauszahlung ist über eine angemessene Entschädigung gemäss Art. 124e ZGB auszugleichen.

 

Unmöglichkeit eines Vorsorgeausgleichs

Ein Vorsorgeausgleich im Rahmen des BVG ist nicht möglich, soweit die vorhandenen Vorsorge- und Freizügigkeits-Mittel nicht ausreichen, um den Anspruch des Ehegatten zu befriedigen. Dies kann der Fall sein nach Barauszahlungen, Kapitalabfindungen und bei Vorbezügen für Wohneigentum. In den Vorsorgeeinrichtungen fehlen dann die erforderlichen Mittel. Dies trifft auch bei ausländischen Vorsorgeguthaben, bei Vorsorgeeinrichtungen internationaler Organisationen und bei schweizerischen Vorsorgeeinrichtungen ausserhalb des vom BVG normierten Bereichs (Ruhegehaltsordnungen und dgl.) zu. 

Ein Ausgleich kann dann nur als angemessene Entschädigung i.S. von Art. 124e ZGB in Form einer Kapitalabfindung oder einer Rente aus freien Mitteln erfolgen. Freie Mittel sind Vermögenswerte ausserhalb der beruflichen Vorsorge gemäss BVG, inklusive Mittel der Säule 3a. Die Höhe einer angemessenen Entschädigung ist nicht abhängig vom Vorhandensein freier Mittel. Hingegen können die Zahlungskonditionen auf die wirtschaftliche Lage des Ausgleichspflichtigen Rücksicht nehmen.

Gab es während der Ehe nie irgendwelche BVG-Vorsorgeguthaben, entfällt eine angemessene Entschädigung nach Art. 124e ZGB. Es soll den Ehegatten aber freigestellt sein, dennoch eine solche zu vereinbaren.

  

Unzumutbarkeit eines Vorsorgeausgleichs

Der Vorsorgeausgleich ist nicht zumutbar, wenn er zu einem stossenden Ergebnis führen würde, z.B. infolge grossen Altersunterschieds der Ehegatten. Dies gilt namentlich dann, wenn der jüngere Ehegatte noch Vorsorge aufbauen kann, der ältere Ehegatte aber bereits im Rentenalter steht und eine zu teilende Rente später nicht mehr wieder erhöhen könnte. 

Sowohl eine Kapitalabfindung wie eine Rentenaufteilung mag in einer solchen Konstellation unzumutbar sein. Deshalb kann hier eine angemessene Entschädigung in Form einer Kapitalzahlung aus freien Mitteln greifen.

 

Wohin fliesst eine Ausgleichsleistung?

Mittel der beruflichen Vorsorge gemäss BVG (Pensionskassen, Freizügigkeitseinrichtungen, Auffangeinrichtung) können nur auf eine Vorsorgeeinrichtung übertragen werden. Soweit eine Einkaufsmöglichkeit besteht, kann dies eine Pensionskasse sein, andernfalls eine Freizügigkeitseinrichtung oder die Auffangeinrichtung.

Barzahlungen sind erlaubt für Leistungen an eine pensionierte Person, an Selbständigerwerbende und in den folgenden Fällen:

  1. Eine Barauszahlung ist für obligatorische Vorsorgeanteile möglich, wenn der berechtigte Ehegatte
  2. im Zusammenhang mit der Ehescheidung in der Schweiz eine selbständige Erwerbstätigkeit ohne BVG-Obligatorium aufnimmt,
    eine bestehende selbständige Erwerbstätigkeit ohne BVG-Obligatorium weiterführt,
  3. endgültig ins aussereuropäische Ausland wegzieht,
  4. endgültig ins europäische Ausland wegzieht und dort nicht obligatorisch versichert ist, oder
  5. wenn sein Guthaben weniger als einen Jahresbeitrag ausmacht.
  6. Ausserdem drei Jahre vor dem ordentlichen Rentenalter (Frauen 61/62, Männer 62).

 

Im überobligatorischen Bereich ist eine Barauszahlung zulässig, wenn der berechtigte Ehegatte

  1. im Zusammenhang mit der Ehescheidung in der Schweiz eine selbständige Erwerbstätigkeit ohne BVG-Obligatorium aufnimmt,
  2. eine bestehende selbständige Erwerbstätigkeit ohne BVG-Obligatorium weiterführt,
  3. endgültig ins europäische oder aussereuropäische Ausland wegzieht,
  4. wenn sein Guthaben weniger als einen Jahresbeitrag ausmacht.
  5. Ausserdem drei Jahre vor dem ordentlichen Rentenalter (Frauen 61/62, Männer 62).
      

Nicht erfasste Fälle

Invaliditätsfälle sind vom Programm nicht erfasst, ausländische Vorsorgeguthaben nur mit den Anfangs- und Schlussbeträgen, soweit diese bekannt sind.